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15.3.2023

EU-Kommission veröffentlicht Vorschlag für Reform des Strommarktdesigns - Die Änderungen und Auswirkungen für Speicher

Lesedauer:
4 min

Gestern Abend hat die EU-Kommission den lange erwarteten gesetzlichen Vorschlag für die Reform des Strommarktdesigns veröffentlicht. Im Fokus stehen dort Änderungen des Marktdesigns für erneuerbare Energiequellen und für gesicherte Erzeugungsleistung, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Energiepreisschocks und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und dabei die Sozialverträglichkeit von Strom zu sichern. Daneben schlägt die EU-Kommission auch vor, Investitionen in Energiespeicher und in Demand-Side-Response-Lösungen (DSR) durch einen stärkeren Fokus auf zukunftsgerichtete, langfristige Absicherungsinstrumente und die Schaffung einer Nachfrage nach Flexibilitätsdiensten voranzutreiben. Damit setzt die Kommission einen ganz neuen Fokus auf Energiespeicherung und die Nutzung verbrauchsseitiger Flexibilität in Europa.

Die Rolle von Speichern fürs künftige europäische Energiesystem wird klar benannt. So reflektiert die EU-Kommission aktuelle Herausforderungen wie Energiepreisspitzen und extreme Preisschwankungen auf den Strommärkten wie folgt:
“The recent price volatility has also highlighted the lack of flexibility in the electricity grid, with prices set too often by gas and with a general lack of low carbon flexible supply, demand response and energy storage. As more wind and solar power enter the system, storage in particular will be needed to balance the variable supply with variable demand.”  

Welche Änderungen werden also konkret für Energiespeicher vorgeschlagen und wie wirken sich diese auf Speicher in Deutschland aus?

Der Vorschlag der EU-Kommission bezieht sich auf und ergänzt die bestehende EU-Strombinnenmarktverordnung 2019/943 sowie die Strombinnenmarktrichtlinie 2019/944. Der Kern der vorgeschlagenen Änderungen für Speicher liegt in den neuen Artikel 19c bis 19f, die die Kommission in die Strombinnenmarktverordnung aufnehmen will. Folgendes besagen diese neuen Artikel:

-Art. 19c - Beurteilung des Flexibilitätsbedarfs: Alle zwei Jahre, erstmals spätestens zum 01.01.2025, sollen die nationalen Regulierungsbehörden (in Deutschland die Bundesnetzagentur) einen Bericht vorlegen, in dem der Bedarf an Flexibilitätsoptionen zur Integration Erneuerbarer ins Stromnetz analysiert und genau bestimmt wird. Dabei soll vor allem das Potential von Speichern und Demand-Side-Response (DSR) berücksichtigt werden. Die nötigen Daten sollen von den Übertragungs- und den Verteilnetzbetreibern bereitgestellt werden.

-Art. 19d – Nationale Zielsetzungen für DSR und Speicher: Basierend auf der Beurteilung gemäß Art.19c sollen die Mitgliedsstaaten einen indikativen, nationalen Zielwert für den Ausbaupfad von DSR und Speichern bestimmen, der konsistent mit den nationalen Plänen zum Klimaschutz und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien festzulegen ist.  

-Art. 19e & Art. 19f – Fördersysteme für Flexibilität: Mitgliedstaaten, die Kapazitätsmechanismen anwenden, sollen diese so ausgestalten, dass eine Beteiligung nicht-fossiler Flexibilitätsoptionen wie Speicher und DSR sichergestellt wird. Auch Staaten, die keine Kapazitätsmechanismen anwenden, sind dazu angehalten Förderungssysteme zu schaffen, die aus Zahlungen für die verfügbare Kapazität nicht fossiler Flexibilität bestehen, wenn sie anders die Aufwuchsziele für Flexibilität nicht erreichen.

Mit der Ergänzung dieser Artikel setzt die Europäische Kommission ein starkes Signal für die Entwicklung von Speichern in Europa und erkennt an, welche Rolle sie im Strommarkt einnehmen. Sie fordert verbindliche nationale Ziele für den Ausbau von Speichern und beschreibt die möglichen Werkzeuge, um eine tatsächliche Zielerreichung sicherzustellen.

So stärkt der Vorschlag auch die Verbindlichkeit der Aussagen, welche im deutschen Netzentwicklungsplan getätigt werden. Denn eine Aussage der Bundesnetzagentur zur Höhe des nötigen Ausbaus von Speichern und DSR, wie sie im neuen Art. 19c gefordert wird, gibt es in Deutschland im Prinzip bereits. Es handelt sich dabei um die Genehmigung des Szenariorahmens zum noch nicht veröffentlichten Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045, die die Bundesnetzagentur im Juli des vergangenen Jahres erteilt hat. Dort wurde für 2037 eine Leistung von PV-Batteriespeichern in Höhe von 67,4 GW und zusätzlich eine Leistung von Großbatteriespeichern in Höhe von 23,7 – 24,2 GW festgelegt, um den für das Erreichen der Klimaziele nötigen Netzausbau zu flankieren.

Europarechtlich muss dieser Ausbau an Speichern nun auch validiert werden. Die EU macht klar, dass Angaben wie die Prognose des Speicherausbaus im Netzentwicklungsplan eben keine dahingeschriebenen Zahlen sein dürfen. Auf die Prognosen sollen Verantwortlichkeiten folgen und vor allem Maßnahmen zur Zielerreichung. Damit sind die 23,7 GW bis 2037 verbindlich.

Und genau hier sehen wir aktuell noch Handlungsbedarf, denn mit dem aktuellen regulatorischen Rahmen werden wir in Deutschland die Ausbauziele nicht erreichen. Im Gegenteil scheint sich insbesondere bei der Bundesnetzagentur allmählich überhaupt erst das Bewusstsein durchzusetzen, dass Speicher einen entscheidenden Beitrag für ein klimaneutrales Energiesystem leisten können und müssen. Die EU-Kommission legt hier den Finger in die Wunde: Welche Strategie verfolgt der Staat zur Erreichung der Zielsetzung? Welche Maßnahmen sind konkret angedacht? Zwei Fragen, auf die bislang eine Antwort fehlt.  

Um ein (zu) spätes und kostspieliges Nachsteuern möglichst zu vermeiden, sollten die Bundesnetzagentur und der Gesetzgeber in jedem Fall schnellstmöglich die bestehenden Hürden abbauen, die den Speicherausbau in Deutschland aktuell ausbremsen: Noch immer schränkt beispielsweise der Baukostenzuschuss den Aufbau von Speicherkapazitäten in Deutschland massiv ein und müsste umgehend für Speicher entfallen.  
Gleichzeitig endet 2026 die Übergangsregelung zur Netzentgeltbefreiung von Batteriespeichern. Ohne Folgeregelung würde der weitere Ausbau von Batteriespeichern in Deutschland dann komplett zum Erliegen kommen. Das Thema ist bereits jetzt dringend, denn häufig liegen Umsetzungsdauern von Speicherprojekten im Bereich von über drei Jahren und haben damit bereits aktuell keine Sicherheit mehr, ob die Netzentgeltbefreiung erhalten bleibt. Im ersten Schritt würde wohl eine Verlängerung der Befristung z.B. um fünf Jahre in der nächsten Novellierung des EnWG ausreichen, um etwas Ruhe in die Situation zu bringen und gleichzeitig Zeit für eine langfristige Regelung und für die Klärung der Kompetenzen zwischen Wirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur zu schaffen.

Abschließend müssen zügig lokale Märkte für Flexibilität etabliert werden, damit Speicher ihre netzdienlichen Eigenschaften bei der Integration Erneuerbarer („Nutzen statt Abregeln“) voll ausspielen und ihre Erlöse absichern können. Nicht nur auf die schiere Menge an Speicher, sondern auch auf die richtige Positionierung im Netz kommt es schließlich an. Ein Redispatch auf Kostenbasis, wie er aktuell betrieben wird, schafft keinerlei Investitionsanreize zur Steigerung von Flexibilität an den neuralgischen Netzknoten und muss zumindest für Speicher durch ein marktbasiertes Verfahren abgelöst werden. Ein solches Verfahren ist ohnehin bereits europaweit in der Strombinnenmarktverordnung festgelegt.

All diese Punkte stehen absolut im Einklang mit dem Vorschlag der EU-Kommission. Denn dort ist klar vorgezeichnet, dass Mitgliedsstaaten einen großen Handlungsspielraum haben, wie sie die verbindlichen Ziele für den Speicherzubau erreichen wollen. Klar geregelt ist dort auch, dass zusätzliche Förderungen für Speicher unausweichlich werden, wenn die Ausbauziele insgesamt nicht erreicht werden – sei es, weil die bestehenden Hürden nicht hinreichend abgebaut wurden oder weil selbst nach Abbau der Hürden noch keine ausreichende Investitionsbereitschaft in Speicher besteht. Kapazitätsmärkte und Subventionen für Speicher können, müssen aber nicht Teil der Lösung sein, solange in Summe der Ausbau gelingt.

Der Vorschlag der EU-Kommission stellt im Hinblick auf Speicher also nicht die bestehenden Regularien auf den Kopf, er schafft jedoch zusätzliche Verbindlichkeit beim Speicherausbau und erhöht damit auch den Druck auf nationaler Ebene, bestehende Hürden schnell abzubauen. Denn sonst ist schon jetzt klar, dass ein Ausbau auf die anvisierten 67,4 GW PV-Heimspeicher und mindestens 23,7 GW Großbatteriespeicher bis ins Jahr 2037 eine große Herausforderung darstellen. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorstellungen der EU-Kommission nun auf politische Zustimmung stoßen und bald in bindendes Europarecht überführt werden.

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